Als jüdischer Verein im Fürstentum Liechtenstein möchten wir allen jüdischen Menschen eine geistige Heimat bieten, wo sie ihre Religion gemeinsam leben können. Unter den Mitgliedern herrscht ein bunter Mix an religiöser, kultureller und sprachlicher Diversität.
Nachdem die Juden im 15. und 16. Jahrhundert aus den städtischen Zentren vertrieben wurden suchten sie auf dem Land eine neue Lebensgrundlage und zogen als Viehhändler oder Hausierer durch den Raum Liechtenstein. Es wird vermutet, dass sich die Handelsbezirke der Judengemeinden in Tettnang (seit 1551), Wasserburg (seit 1551), Rheineck (seit 1558), Langenargen (seit 1585), Hohenems (seit 1617) usw. auch nach Vaduz-Schellenberg erstreckten.
In Vaduz-Schellenberg liessen sich Juden erstmals während des Dreissigjährigen Krieges nieder. Des weiteren kam es ab 1632 kriegsbedingt zu einer grossen Flüchtlingswelle österreichischer Schutzjuden. Diese erhielten gegen Geldzahlungen zugesicherten Schutz der Landesherrschaft. Nachdem der Tiroler Landesfürst den Flüchtlingen einen vorübergehenden Schutz sowie die Ausübung eines bescheidenen Handels in der Grafschaft Feldkirch gewährte, liessen sich ab 1636 Juden in verschiedenen Gemeinden der Grafschaft Feldkirch nieder.
Ein Beispiel hierfür ist die jüdische Gemeinde am Eschnerberg (1637-1651), welche aus etwa 20 Haushaltungen mit rund 100 Personen bestand. Dabei gilt es hervorzuheben, dass jene Personen nicht in einem geschlossenen Ghetto, sondern verstreut in Eschen, Mauren und Nendeln lebten. Der Graf von Hohenems duldete die Ansiedlung der Juden, jedoch ohne Schutzbrief und somit ohne Rechtsgrundlage. Die eher ärmliche jüdische Gemeinde verfügte über eine Synagoge in Mauren und über einen Rabbiner in der Person von Abraham Neuburg sowie ein Ehegericht. Die Eschnerberger Juden betrieben einen bescheidenen Handel mit Pferden, Vieh, Häuten, Tuch und Silberwaren. Obwohl der Geldhandel wenig ausgeprägt war, waren 1649 281 Untertanen von Vaduz-Schellenberg bei den Juden mit durchschnittlich 5½ Gulden verschuldet.
Das Verhältnis zur christlichen Bevölkerung war angespannt, sodass die Obrigkeit wiederholt zum Schutz der Juden eingreifen musste. Beispielsweise wurden die Gemeinden Eschen und Mauren 1649 vom Grafen gerügt, da sie von den Juden ein «Insässgeld» forderten und deren Vermögenswerte unter Arrest legten. Dennoch mussten die Juden 1651 ihre Ansiedlungen wieder aufgeben. Dies vermutlich hauptsächlich aufgrund von Beschwerden der Untertanen.
Im 17. und 18. Jahrhundert waren vor allem die in Hohenems lebenden Juden als Kapitalverleiher für die liechtensteinische Bevölkerung von Bedeutung. Darüber hinaus dauerte der Handel mit den Juden aus Sulz (Voralberg) an. Die gewaltsame Vertreibung von Juden aus Sulz führte 1745 zu einer zweiten Niederlassung von Juden. Von diesen fanden etwa 50 vorübergehenden Schutz in Vaduz, Nendeln, Schaan und Eschen. Hierfür zahlten sie für zwei Jahre 60 Gulden Toleranz- und Zollgeld sowie den genannten Dörfern ein «Hintersässgeld» von ca. 85 Gulden. 1748 wurden sie in der jüdischen Gemeinde Hohenems aufgenommen.
1750 legte Kaiserin Maria Theresia auf Druck der Landstände den Juden für Vorarlberg ein allgemeines Handelsverbot auf. Dadurch dehnte sich der Handel der Hohenemser Juden besonders in Richtung Liechtenstein aus. 1760 löste Fürst Josef Wenzel die gesamten Judenschulden der Untertanen in der Höhe von 30 000 Gulden ein und verbot 1760 den Juden jeden Handel in Liechtenstein. In der Landesöffnung von Fürst Alois I. Joseph (um 1781) wurde dieses Verbot bestätigt. Jedoch blühte der Handel von liechtensteinischen Untertanen mit Juden weiter, zumal das Vorarlberger Handelsverbot nach dem Übergang von Hohenems an Österreich (1765) mehr und mehr gelockert wurde.
Vor dem zweiten Weltkrieg
Ab den 1920 er Jahren zogen erst vereinzelt und in den 1930er Jahren vermehrt Juden zu. Gründe hierfür waren unter anderem die Gründung von Sitzgesellschaften, die Steuerflucht wegen der Weltwirtschaftskrise und die Möglichkeit, sich gegen hohe Gebühren einzubürgern. Darüber hinaus führte besonders die Verfolgung der Juden durch Nazi-Deutschland ab 1933 zu diesen Einwanderungen.
Während des zweiten Weltkriegs
Von 1933 bis 1945 wurden insgesamt 144 jüdische Personen in das liechtensteinische Bürgerrecht aufgenommen. Viele weitere Juden kamen indirekt über Treuhänder und Banken mit Liechtenstein in Kontakt und erreichten auf diesem Weg die Rettung ihrer Vermögen. Insgesamt fanden zwischen 1933 und 1945 rund 230 jüdische Flüchtlinge, meist aus städtischen Bildungsschichten stammend, vorübergehend Schutz für Leib und Leben in Liechtenstein. Von diesen gelang manchen nach einiger Zeit die Weiterreise in westliche Länder. Andere strandeten wegen der restriktiven Aufnahmepraxis der Zielländer in Liechtenstein, besonders ab 1938. Ab 1935 musste für die Aufenthaltsbewilligung bei der Landesbank eine Kaution hinterlegt werden (10‘000–50‘000 Fr.). Auch einzelne jüdische Unternehmer, welche mit kleinen Betrieben Arbeitsplätze schufen, wurden aufgenommen. Von 1938 bis zum Kriegsende 1945 lebten durchgehend etwa 120 ausländische jüdische Personen in Liechtenstein, dies entsprach 1 % der Wohnbevölkerung.
Allerdings wurden ab 1938, als der Flüchtlingsandrang wegen des österreichischen Anschlusses an Deutschland anschwoll, zahlreiche jüdische Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen oder in die Schweiz weitergeleitet. Dabei wurden schriftliche Einreisegesuche in der Mehrzahl abgelehnt. Gemäss Fremdenpolizeiabkommen von 1923 und 1941 war die liechtensteinische Politik bezüglich Einreise und Aufenthalt von Ausländern weitgehend durch die Schweiz bestimmt. Hier bestand jedoch Spielraum für die liechtensteinischen Behörden.
Von 1938 bis 1940 existierte ein «Jüdisches Hilfskomitee für Liechtenstein». Auf Geheiss der liechtensteinischen Regierung wurden im Herbst 1940 alle ausländischen Juden in einem «Hilfsverein der Juden in Liechtenstein» organisiert. So sollte bedürftigen Juden durch Beiträge geholfen werden. Im November 1941 verloren durch Reichsverordnung alle im Ausland lebenden deutschen Juden ihre Staatsangehörigkeit, wodurch viele Juden in Liechtenstein staatenlos wurden. Ihr Aufenthalt blieb toleriert.
In der ganzen NS-Zeit bis zum Kriegsende 1945 lebten die Juden in Liechtenstein in ständiger Angst. Dies nicht nur wegen der deutschen Bedrohung, sondern auch weil sie durch nationalsozialistische Kreise in Liechtenstein diffamiert und teilweise tätlich angegriffen wurden. Den Auftakt bildete 1933 die für zwei Juden tödlich endende Rotter-Entführung. Vor allem der Liechtensteiner Heimatdienst und die Volksdeutsche Bewegung in Liechtenstein taten sich gegen die Juden hervor. Deren Presseorgane «Liechtensteiner Heimatdienst» (1933–35) und «Der Umbruch» (1940–43) hetzten in menschenverachtender Weise gegen die Juden.
Nach dem zweiten Weltkrieg / heute
Waren in der NS-Zeit Juden von Nichtjuden vorab «rassisch» unterschieden worden, so erfasst die Bevölkerungsstatistik sie vorher und wieder seit 1945 gemäss Religionszugehörigkeit. Der Hilfsverein der Juden in Liechtenstein dankte am 8. Mai 1945 der liechtensteinischen Regierung für den während der Kriegszeit gewährten Schutz. Bald nach dem Kriegsende emigrierte die Mehrzahl der Juden. Der Verein wurde 1954 aufgelöst.
Seit dem 17. Jahrhundert gibt es keine Synagoge und keinen bestellten Rabbiner mehr. Völkerrechtlich bestehen seit 1992 Beziehungen zwischen Liechtenstein und Israel. Die Schweiz vertritt Liechtenstein diplomatisch in Israel, und der israelische Botschafter in Bern ist auch für Liechtenstein akkreditiert.